Gewerkschaften – Harte Zeiten

Von Irmgard Kirchner · · 2001/12

In Österreich und anderen Industriestaaten kämpfen die Gewerkschaften gegen schwindende Mitgliederzahlen, in anderen Teilen der Erde gegen blutige Verfolgung.
Beispiel Kolumbien: Mindestens 112 Gewerkschafter wurden im Vorjahr von Guerilla und vor allem von Paramilitärs ermordet. Im ersten Quartal 2001 waren es 35, dreimal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres, meldet amnesty international. ArbeiterInnenrechte, die wir heute hierzulande als selbstverständlich erachten, sind von unseren Vorfahren auch unter Einsatz ihres Lebens erkämpft worden. Während im Norden die Gewerkschaften hauptsächlich mit der Verteidigung dieser Errungenschaften gegen neoliberale Begehrlichkeiten rechter Regierungen beschäftigt sind, wirken sie in vielen Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas als Triebkraft für tief gehende politische Veränderungen in Richtung Demokratie.
Auf den folgenden zehn „Thema“- Seiten, die wir großteils von unserer Partnerzeitschrift New Internationalist übernommen haben, beschäftigen wir uns mit der größten sozialen Bewegung aller Zeiten.

Neben ihrer eigentlichen und ursprünglichen Aufgabe, nämlich der Erkämpfung und Verteidigung der ArbeiterInnenrechte gegenüber Unternehmen und Kapital, befinden sich die Gewerkschaften noch in zwei anderen Spannungsfeldern:
Das Konfliktpotential zwischen Regierungen und Gewerkschaften führt entweder zu deren politischer Vereinnahmung – was für den Großteil der Gewerkschaften in den Industriestaaten zutrifft – oder zu massiver Unterdrückung, unter der viele Gewerkschaften im Süden zu leiden haben.
Doch mittelfristig ein noch viel größeres Konfliktpotential erzeugt die globalisierte Wirtschaft zwischen Gewerkschaften im Norden und jenen im Süden.
Die (internationale) Solidarität stößt an ihre Grenzen, wenn es um den größten Wettbewerbsvorteil der armen Länder geht: billige Arbeitskraft.
Theoretisch ist klar, dass ArbeiterInnenrechte genau so wie alle Menschenrechte unteilbar sind, also nur weltweit verwirklicht werden können.
Doch auf dem Weg dorthin kann die Forderung nach international gültigen Sozialstandards für Produkte protektionistisch missbraucht werden. KinderarbeiterInnen zum Beispiel fordern kein Verbot der Kinderarbeit, sondern ihr Recht auf gewerkschaftliche Organisierung.
In den nächsten zehn Jahren werden 500 Millionen Menschen mehr in den globalen Arbeitsmarkt zu integrieren sein, 400 Millionen davon in so genannten Entwicklungsländern. Das „Global Employment Forum“ der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, abgehalten Anfang November, spricht in diesem Zusammenhang von der wahrscheinlich „größten Herausforderung unserer Zeit“. Harte Zeiten für die Gewerkschaften im Norden und im Süden.

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